Verbundwerkstoffe - 24. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde
Oral-Poster-Präsentation
22.05.2024
Analyse von Relaxationsprozessen in glasfaserverstärktem Epoxid nach der Fertigung mit Hilfe der Nahinfrarotspektroskopie
DE

Daniel Esse (M.Sc.)

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Esse, D. (V)¹; Liebig, W.¹
¹Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Vorschau
3 Min. Untertitel (CC)

Einleitung: Die Anforderungen des Marktes und der Anwendungen erfordern eine qualitätsgerechte, schnelle und damit kostengünstigere Herstellung von Bauteilen aus faserverstärkten Kunststoffen. Eine möglichst zeitnahe mechanische Prüfung der hergestellten Materialien ist sowohl in der Industrie, als auch in der Forschung relevant, um die meist eng getakteten Zeitpläne einhalten zu können. Für die mechanischen Eigenschaften der Laminate und um die Streuung der Messergebnisse gering zu halten, ist es jedoch immer vorteilhaft, die Materialien erst nach einer gewissen Zeit in Betrieb zu nehmen bzw. zu prüfen, wenn etwas Feuchtigkeit aufgenommen wurde und die thermischen Eigenspannungen sowohl durch Relaxation als auch durch kompensierende Quelleigenspannungen abgebaut sind [1]. Im Gegensatz zum Gleichgewichtszustand eines Polymers oberhalb seiner Glasübergangstemperatur Tg erreicht das Material zudem kein sofortiges thermodynamisches Gleichgewicht, wenn es unter Tg abgekühlt wird. Stattdessen entwickelt sich das freie Volumen [2]. Physikalische Alterungsprozesse, wie Materialschwindung in Folge von Reduktion des freien Volumens oder Änderungen der molekularen Konfiguration führen zu ständig veränderten physikalischen, thermodynamischen oder mechanischen Eigenschaften [3]. Die Infrarotspektroskopie bietet sich an auf mikrostruktureller Ebene von Polymeren, Bewegungs- und Umlagerungsvorgängen zu charakterisieren. Beispielsweise führen Scherbänder in einem Epoxidharz zu einer Verschiebung der absorbierten Wellenlänge (Peakshift) einzelner Molekülbindungen [4]. Vereinfacht ist die Vorstellung der schwingenden Molekülbindung als Zweimassen-Oszillator zulässig: Änderst sich die Steifigkeit der Verbindungsfeder zwischen den beiden Massen, ändert sich auch die Resonanzfrequenz des Oszillators. Diese Änderung der Frequenz lässt sich auf die absorbierte Wellenlänge eines Moleküls übertragen. Die Änderung der Federsteifigkeit stellt eine Änderung der Bindungsstärke dar, die auf eine Änderung des Abstands oder der Wechselwirkung mit benachbarten Molekülen zurückzuführen ist. Darüber hinaus können auch eine Änderung des Winkels zwischen den Atomen eines Moleküls oder Konformationsänderungen innerhalb des Materials zu entsprechenden Änderungen führen [5, 6]. Ziel dieser Arbeit ist es daher, die Relaxationsprozesse im Infrarotspektrum zu beobachten und so bewerten zu können, ob das Material bereits in einem weitestgehend stationären Zustand ist. Dazu wurden die Nahinfrarotspektren (NIR-Spektren) von unidirektional glasfaserverstärkten und unverstärkten Epoxidharzprobekörpern über mehrere Wochen nach der Fertigung aufgenommen und hinsichtlich auftretender Änderungen untersucht. Zudem wurde der Einfluss einer von außen aufgebrachten mechanischen Dehnung auf die Spektren betrachtet und mit denen der Fertigung vergleichend gegenübergestellt.

Material und Probekörperpräparation: Die in dieser Arbeit vorgestellten Versuche wurden mit endlosfaserverstärktem Epoxidharz und dem Matrixmaterial selbst, bestehend aus dem Harz Resoltech 1500 auf Basis von Diglycidylether von Bisphenol A (DGEBA) in Kombination mit dem Härter Resoltech 1504 auf Basis von Isophorondiamin durchgeführt. Für die Probekörper aus glasfaserverstärktem Epoxidharz (GFK) wurden vier Lagen E-Glasfasergelege mit einem Flächengewicht von jeweils 416 $g/m^{2}$ verwendet, die mit einer Ausrichtung von 0° zur Belastungsrichtung angeordnet wurden. Der resultierende Faservolumengehalt der GFK Probekörper liegt bei 50 %. Die Herstellung der Probekörper erfolgte im vakuumunterstütztem RTM-Verfahren (Resin Transfer Moudling), wobei die Epoxidharzplatten mit einer Dicke von 2,5 mm und die GFK-Platten mit einer Dicke von 1,25 mm gefertigt wurden. Das Harz wurde aus der Druckkammer mit einem Überdruck von 3 bar durch das Werkzeug und das darin positionierte Gelege in die Vakuumkammer mit einem Unterdruck von etwa 1 bar geleitet wird. Die Probekörpergeometrie basiert auf DIN EN ISO 527, wobei die Probekörper selbst mittels Wasserstrahlschneiden aus den gefertigten Platten herauspräpariert wurden. Der Temperzyklus des Epoxidharzes besteht aus 3 Halteplateaus bei 50 °C, 100 °C und 150 °C, die zu je 3 Stunden gehalten und mit 0,2 $K/min$ aufgeheizt werden. Um möglichst große Einflüsse durch thermische Eigenspannungen und Schwindung im Material zu provozieren, wurde der vom Hersteller vorgesehene Aushärteprozess modifiziert. Hierzu wurde die vorgesehene langsame Abkühlung von 0,2 $K/min$ mit einer Haltedauer von 8 Stunden bei 60 °C entfernt und es wurde sofort nach Ende der maximalen Haltetemperatur von 150 °C entformt.

Versuchsdurchführung: Zum einen wurden die NIR-Spektren in regelmäßigen zeitlichen Abständen mit einer Auflösung von 2 $cm^{-1}$ über 160 Stunden unmittelbar nach der Fertigung aufgenommen. Hierbei wurde einen Bewertung des Einflusses der Luftfeuchtigkeit ermöglicht, indem sowohl unter Laborbedingungen, als auch in einer vakuumierten Kammer gemessen wurde. Die NIR-Spektren wurden unter Transflektion aufgenommen. Hierbei wird das Licht der NIR-Quelle durch die Sonde zu den Probekörpern geleitet und an einer reflektierenden Fläche hinter den Probekörpern ein zweites Mal durch die Probekörper und wieder zurück zur Sonde geleitet. Zuletzt wurde ein über 6 Monate alter Epoxidharzprobekörper gemessen. Zudem anderen wurde der Einfluss einer mechanischen Dehnung auf die Spektren betrachtet. Hierzu wurden die Probekörper stufenweise mit mechanischen Kräften belastet. Jede Stufe wurde für 8 Minuten gehalten, um insgesamt 20 verschiedene Positionen mit dem NIR-Spektroskop abzufahren. Für das reine Epoxidharz wurde die Kraft bei jeder Stufe um 300 N erhöht. Dies wurde bis zum Bruch der Probekörper fortgesetzt. Die Kraftänderung der GFK Probekörper beträgt 3600 N je Stufe. Die Dehnung während des Versuch wurde mithilfe von digitaler Bildkorrelation gemessen.

Ergebnisse: Für die zwei aufgeführten Banden, ist sowohl für die mechanische Belastung, als auch nach der Fertigung ein Peakshift zu erkennen. Die Position beider Banden im NIR-Spektrum ist in Abb. 1 rechts dargestellt. Die erste betrachtete Bande liegt bei 6996 $cm^{-1}$ und resultiert aus dem ersten Oberton der symmetrischen Valenzschwingung einer OH-Bindung. Die zweite Bande ist eine OH-Kombinationsbande und liegt bei etwa 4778 $cm^{-1}$. Der Peakshift über die mechanische Dehnung für beide Materialvarianten ist in Abb. 1 links dargestellt. Für alle Banden ist ein linearer Zusammenhang zu erkennen, wobei der Peakshift des GFKs signifikant größer als der des reinen Epoxidharzes ist. Abb. 2 zeigt den Peakshift über die Zeit nach der Fertigung. Links ist die OH-Valenzschwingung und rechts die Kombinationsbande zu sehen. Für die Valenzschwingung ist für beide Materialvarianten und sowohl im Vakuum und in Laborbedingungen ein vergleichbarer Peakshift von etwa 0,3 $cm^{-1}$ nach 160 Stunden zu erkennen. Der Peakshift der Kombinationsbande rechts in Abb. 2 verhält sich ähnlich, wobei hier ein Unterschied zwischen den Materialvarianten zu erkennen ist. Das Epoxidharz weist mit etwa 0,5 $cm^{-1}$ einen geringeren Shift auf, als das GFK mit knapp über 0,7 $cm^{-1}$ nach 160 Stunden. Die Auswertung des 6 Monate alten Probekörpers zeigt einen, im Vergleich zu den neu gefertigten Probekörpern, kaum erkennbaren Peakshift.

Diskussion: Beide Banden zeigen nach der Fertigung für die GFK-Probekörper unter Laborbedingungen und unter Vakuum den gleichen abnehmenden asymptotischen Verlauf. Da die Probekörper unter Laborbedingungen Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft aufnehmen und unter Vakuum Feuchtigkeit aus dem Probekörper diffundiert, ist davon auszugehen, dass die Luftfeuchtigkeit keinen signifikanten Einfluss auf den Peakshift dieser beiden Banden hat. Sowohl die GFK- als auch die reinen Epoxidharzprobekörper weisen einen vergleichbaren Peakshift auf, es ist also davon auszugehen, dass physikalische Alterung den größten Anteil des aufgenommenen Peakshifts verursacht. Betrachtet man die Verläufe der OH-Kombinationsbande bei 4778 $cm^{-1}$ fällt auf, dass der Peakshift des Epoxidharzes im Vergleich zum GFK geringer ausfällt. Die Differenz zwischen den Verläufen könnte dem Abbau der thermischen Eigenspannungen, hervorgerufen durch die materialspezifischen unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten, zugeschrieben werden. Dieser Aussage widerspricht, dass die OH-Valenzschwingung bei 6996 $cm^{-1}$ keinen erkennbaren Unterschied zwischen den Materialvarianten aufzeigt, obwohl die Bande in einem vergleichbaren, wenn auch geringeren Maße, linear mit der Dehnung korreliert. Der lineare Shift der beiden Banden über die Dehnung gibt die in der Literatur mehrfach beschriebene Korrelation vieler Banden mit der mechanischen Belastung wieder [6, 7]. Mögliche Erklärungsansätze für die größere Steigung des GFKs im Vergleich zum reinen Epoxidharz, sind der Einfluss der Spannungsüberhöhungen an den Faser-Matrix Grenzflächen oder eine mehraxiale Dehnungsbehinderung der Matrix durch die Fasern.

Fazit: Allgemein lässt sich aus den Versuchen folgern, dass diese Methode eine Beurteilung erlaubt, wann bzw. ob sich ein Material in einem stationären Zustand befindet. Aus einem sich ändernden Peakshift lässt sich wiederum folgern, dass Änderungen im Material stattfinden und Versuche erst nach einem gewissen Zeitraum nach der Fertigung durchgeführt werden sollten.

Abstract

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