43. Vortrags- und Diskussionstagung Werkstoffprüfung 2025
Plenarvortrag
28.11.2025
Korrosionsanalyse von neuen Titanlegierungen für Implantatanwendungen
AG

Dr. Annett Gebert

Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden

Gebert, A. (V)¹
¹Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden
Vorschau
34 Min.

Aufgrund des demographischen Wandels mit einhergehenden Knochenerkrankungen und problematischen Knochenheilungsprozessen ergeben sich neue Anforderungen speziell für lasttragende Implantate. Neben angepassten Implantatdesigns sind neue Implantatmaterialien mit optimalen biofunktionalen Eigenschaften ein entscheidender Ansatzpunkt. Die derzeitig klinisch genutzten Materialien wie Ti, Ti-6Al-4V, CoCr-Legierungen oder Stahl (316L) bedingen jedoch hohe Implantatsteifigkeiten, die auf hohe Elastizitätsmoduln von ≥100 GPa zurückgehen, und somit die Knochenregeneration erschweren. Für Ti-6Al-4V-Implantate wurde ist zudem die Freisetzung von V- und Al-Spezies problematisch, die gesundheitliche Probleme wie Alzheimer verursachen. Im Fokus aktueller Forschung stehen deshalb neue Titanlegierungen wie beta-Titan bzw. Titan-basierte massive metallische Gläser (BMG) mit deutlich geringeren E-Moduln von <100 GPa. Durch Legierungsdesign und geeignete thermische und/oder mechanische Prozessführung können gezielt definierte Gefügezustände und somit angepasste mechanische Biofunktionalitäten erreicht werden.

Die Biokompatibilität von Implantaten adressiert alle Aspekte der Interaktion mit der biologischen Umgebung. Im Falle von Metallimplantaten sind neben mechanischem Verschleiß vor allem Korrosionsprozesse in den physiologischen Medien entscheidend. Durch Korrosion freigesetzte Metallspezies können inflammatorische, zytotoxische bzw. antibakterielle Wirkungen hervorrufen.

Am Beispiel von beta-Ti-Nb-Legierungen werden Verfahren zur Korrosionsanalyse in definierten synthetischen Körperflüssigkeiten mit Kombinationen von elektrochemischen Polarisationsmessungen und Impedanzspektroskopie, Auslagerungstest mit nasschemischer Analyse zur Metallionenfreisetzung sowie oberflächenanalytischer Methoden zur Charakterisierung fester Korrosionsprodukte demonstriert. Ti-Nb-Legierungen weisen die für Ventilmetalle typische sehr hohe Neigung zur spontanen Oxidschichtbildung auf. Das Wachstum Barriere-artiger Oxidschichten kann durch Anodisierung verstärkt werden. Dies erklärt ihre sehr hohe Resistenz gegen Chlorid-induzierten Lochfraß. Jedoch können Legierungsadditive wie Indium, Kupfer oder Gallium diese Eigenschaften beeinflussen, mit nachweislichen Effekten auf die Zytokompatibilität and auf antibakterielle Wirkungen. Für spezielle Implantatanwendungen sind korrosive Prozesse unter tribologischer Beanspruchung relevant. Am Beispiel von konventionell schmelzmetallurgisch prozessierten und additiv gefertigten Ti-Nb-Materialien wird der Einfluss des prozessbedingten Gefüges auf das Tribokorrosionsverhalten unter freien und anodischen Korrosionsbedingungen diskutiert.              

Implantat-relevante Titan-basierte massive metallische Gläser benötigen zur Einstellung einer hohen Glasbildungsfähigkeit relativ hohe Legierungsanteile von Kupfer. Dies stellt bzgl. ihrer Biokompatibilität eine große Herausforderung dar. Anhand einer detaillierten Korrosionsanalyse wird der komplexe Mechanismus der Chlorid-induzierten Lochfraßkorrosion und die spezielle Rolle von Kupferspezies aufgezeigt. Weiterhin werden Strategien zur elektrochemischen Bildung nanoporöser Oxidschichten dargestellt, die diese lokalen Korrosionsprozesse und die damit verbundene Freisetzung zytotoxischer Kupferionen unterdrücken können. Der positive Einfluss der Oberflächenzustände auf die zellbiologische Antwort der neue Glaslegierungen wird erläutert.

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